Tiblisi/Georgien
Wer haette gedacht, dass ich im Laufe meines bescheidenen Erdendaseins einmal in Georgien sein werde? Also ich nicht! Dennoch bin nun in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens. Ich hatte die vergangenen 2 Wochen immer wieder Traveller getroffen, die alle dort waren und so viel Gutes und Schoenes erzaehlten. Also nahm ich meinen Mut zusammen und los gings. Sozusagen durch das Ende der Welt. War es ja einmal, als bis hierher die Grenzen der verblassten U.d.S.S.R. reichten (wer weiss den eigentlich, was das ausgeschrieben bedeutet?). Da es eine recht kurzfristige Entscheidung war, hierher zu reisen, war ich nicht sehr vorbereitet auf das Land. Hatte mich nur kurz ueber Einreise- + Visabestimmungen informiert. So kam ich bei Dunkelheit in Tiblis an. Als erstes musste ich mal feststellen, dass hier gar kein Mensch englisch kann. Ich sah mich mit einer Sprache konfontiert, die ich `s Lebtag noch nie gehoehrt hatte, mit einer Schrift, die ich vorher noch niemals gesehen habe und mit einem voellig anderen Kulturumfeld als bisher. Kurz: eigentlich war ich hoffnungslos verloren. Ich sass nur noch da und musste Lachen, In so einer auswegslosen Situation hatte ich mich noch nie befunden. Von Gil aus America hatte ich zwar eine Wegbeschreibung zu einem Backpackerhostel per Mail bekommen. Aber das half ja nix, kein Mensch konnte es lesen und schon gar nicht verstehen. Die versammelte Menschenmenge um mich herum schaute nur ratlos aus der Waesche. Was tun sprach Zeus? Abwarten und Teetrinken wuerde der Araber sagen. Das tat ich auch. Und irgendwie kam doch noch gottseidank einer vorbei, der hatte schon mal was von Englisch gehoehrt und der konnte letztendlich dem Taxifahrer den Weg erklaeren. Der Taxifahrer hatte eine Stadtrundfahrt gleich im Preis miteingeschlossen und erklaerte mir waehrend der Fahrt all die Sehenswuerdigkeiten und Besonderheiten der Stadt. Auf georgisch, natuerlich! Nicht schlecht - aber verstanden hab ich halt nix. Und nicht alle nachfahrenden Autofahrer waren damit auch wirklich einverstanden. Schliesslich fanden wir noch ein nettes Gespraechsthema: Beckenbauer - ist immer eine wahre Kommunikationsbombe.
Die russische, bzw. sozialistische Vergangenheit ist nach wie vor im Stadtbild praesent. Doch Georgien scheint seinen eigenen Weg gefunden zu haben und zu gehen.
Es gibt unheimlich viele Kirchen hier. Und die Religionen scheinen sehr vielfältig zu sein. Tiflis beherbergt alte Kirchengebaede der Georgischen Orthodoxen Apostelkirche, der Armenisch-gregorianischen Apostelkirche. Es gibt eine sephardische und zwei aschkenasische Synagogen, eine sunnitische Moschee, eine Kirche der Roemisch-Katholischen Kirche und einen zoroastrischen Tempel und eine lutherische Kirche. Doch ueberwiegend ist es hier griechisch-orthodox. Ist ja etwas anders als bei uns Protestanten. Wunderbar + schoen bemalte Innenraume, eine echte Augenweide. Doch genauso interessant ist es, die Kirchgaenger zu beobachten. Hier lebt man in einer sehr tiefe religiositaet. Da wird gebetet, sich bekreuzigt, gekuesst und alles beruehrt. So ein Rundgang zu allen Heiligen und deren Bilder dauert schon ne halbe Stunde. So 20 - 30 Heilige muss man da schon ablaufen. Vor jedem Bild wird andaechtig gebetet, sich 3x bekeuzigt (mindestens), das Bild oder den Rahmen mehrmals gekuesst und ebenfalls mehrmals kurz beruehrt. Man faellt vor den Heiligen auf den Boden und das auch 3x. Dann beugt man sich wieder und beruehrt mit dem Mittelfinger den Boden und bekreuzigt sich wieder. Und wer denkt, dass sich hier nur alte, vertrocknete Weiber auf die Kniee werfen, der hat sich getaescht. Vor allem junge Menschen sind zu sehen. Der reinste Heiratsmarkt waere das! Manche kommen gerade vom shoppen und legen dann ihe Einkaeufe auf einen Altar. Dann kommt ein Unterpatriarch und segnet die Einkaefe mit dem Weihrauch und einem Segensspruch. Das ist natuerlich alles sehr spannend anzusehen und zu beobachten. Ich setzte mich seitlich auf eine Bank, machte es mir bequem und schaute den Vorgaengen erstaunt zu. Anscheinend hatte ich es mir zu bequem gemacht. Denn gleich kam ein in ein sehr praechtiges Gewand gekleideter Herr zu mir her und ermahnte mich, mich hier doch bitte nicht mit uebereinandergeschlagenen Beinen so rumzuluemmeln. Ach so, das wusste ich nicht, dass man das nicht darf.
Heute habe ich einen Ausflug gemacht: nach Gori. Dort wurde 1878 იოსებ სტალინი (in georgisch) oder Иосиф Виссарионович Сталин (in russisch) oder auch bekannt unter dem Namen Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili geboren. Vielleicht kennt ihn der ein oder andere auch als Stalin.
Die Fahrt dahin ging mit einem alten Bus, ein echt historisches Gefaehrt. Ich glaube das war ein umgebauter Panzer. So donnerten wir nach 2 Stunden in Gori ein. Ich habe ja schon oben von den Kommunikationsproblemen erzaehlt, wie sollte ich mich da zurechtfinden? Fragen brauch ich erst nicht. Wo soll denn das Museum sein und wo genau bin ich ueberhaupt? Ausgestiegen bin ich einfach mal nach Gefuehl. Da war so ein grosser Platz, sah sehr zentral aus und koennte die Stadtmitte sein. Da hatte ich eine echt supergute Idee. Bin in naechste Internetcafe rein und hab mich bei Wikipedia eingeloggt. Und schon wusste ich alles, was man ueber die Stadt wissen muss. Wo ich mich gerade befinde, wo das Museum ist + Eintrittspreise, dass es da eine alte Burg zu besichtigen gibt und wie + wo die Busse wieder zurueckfahren. Als erstes kam ich an das grosse Rathaus. Auch Reichstag genannt, wegen der Kuppel.
Das wurde von deutschen Kriegsgefangenen nach dem Krieg wieder aufgebaut. Geschichte begegnet einem hier wirklich auf jedem Meter. Der grosse Stalin ist hier nach wie vor sehr beliebt. Und nicht nur hier. Ihm zu Ehren hat man schon in den 50ern unter sowjetischer Herrschaft ein sehr grosses und schmuckes Museum eingerichtet und sein Geburtshaus vornedran aufgebaut und ueberdacht. Bescheidene Verhaeltnisse in denen der Bub gross wurde. Obwohl die Eltern nicht arm waren. Neben dem Museum steht noch sein Saloonwagen mit dem er in Jalta + Potzdam war. Ein echtes Prachtstueck, das jedem Eisenbahnfreund das Herz hoeher schlagen laesst!
Etwas sonderbar ist auch die Geschicht mit der Stalin-Statue, die vor dem Rathaus stand. Im Juli wurde sie bei Nacht + Nebel abgetragen und wird nun direkt vor dem Museum zwischen den herbstlichen Laubbaeumen seinen Platz wiederfinden.
Das Wahrzeichen Georgiens ist die"Mutter Georgiens" Bist du brav, reicht sie dir eine Schale mit zuckersuessen Trauben. Bist Du boese, siehst du Deinen Kopf in einen Korb rollen.
Auch hier ist inzwischen der Herbst eingezogen. Eine Jahreszeit, die ich sehr liebe. Die roten und gelben Blaettern an den Baeumen und Straeuchern lassen mich fuehlen, wie zu Hause im Hardtwald. Dazu die waermende Sonnenstrahlen und ein kuehles Lueftchen. Georgien ist gar nicht so schlecht!